Motilität
Die Transitzeit im Dünndarm beträgt 2-6h, so dass bei einer Länge von 3-6 Metern reichlich Peristaltik zu erwarten ist. Durch Nahrungs- oder Flüssigkeitsaufnahme wird Motilität im Dünndarm induziert, durch Fasten hingegen reduziert. Eine rotierende, an eine Waschmaschine erinnernde Form der Peristaltik im Dünndarm ist stark mit Zöliakie assoziiert, kann aber auch physiologisch sein.
Im Dickdarm beträgt die Transitzeit 20-72 h so dass hier eine sichtbare Peristaltik eher auf eine Pathologie hinweist, wie zum Beispiel Obstruktion oder Kolitis.
Auch der Appendix zeigt keine Motilitätsregung, so dass dies ein weiteres Merkmal in der Abgrenzung zum terminalen Ileum darstellt.
Mesenterium
Das Mesenterium präsentiert sich im Ultraschall als den Darm umgebende Masse mit parallel angeordneten, abwechselnd echoreich und echoarmen Linien und Schichten. Dadurch kann es prinzipiell zu Verwechslungen mit Darmwandschichten kommen. Eine Peristaltik ist hingegen nicht darzustellen. Bei hohem Anteil von viszeralem Fett im Rahmen einer Adipositas oder Stoffwechselstörung ist wie in der Leber auch eine dorsale Schallauslöschung und damit verschlechterte Sichtbedingungen möglich. Bei Aszites ist das Mesenterium einfacher zu identifizieren als echogene Falten und lappige Strukturen.
Eine umfassendere Beurteilung des Mesenteriums gelingt besser in der Schnittbildgebung mittels MR und CT.
Wichtig für den Ultraschaller ist hingegen die Eigenschaft, bei akuten oder auch chronisch inflammatorischen Prozessen, wie z.B. CED, Divertikulitis, Appendizitis oder auch Neoplasien, zu hypertrophieren und an Echogenität zuzunehmen. Damit erscheint die Zielpathologie deutlich kontrastiert, da oft eine ödematöse, also echoarme Schwellung der Darmwand besteht, die durch die umgebende Hyperechogenität nochmals in ihrer Auffälligkeit verstärkt wird.
Lymphknoten
Diese sind während der Darmsonographie insbesondere bei jüngeren Patienten oder Kindern aufzufinden. Die physiologische Form kann oval oder U-förmig sein und bis zu 17×4 mm Größe erreichen bei echoarmer, homogener Darstellung im Schall.
Veränderungen oder Vermehrung von Lymphknoten sind stets unspezifisch, können aber in Kombination aller Parameter (Größe, Form, Lage, Anzahl, Echogenität) mit den klinischen Angaben Hinweise auf die Grundpathologie geben, z.B. als Wegweiser zu fokalen Entzündungen oder Neoplasien.
Befundbeschreibung
Bei der Befunddokumentation sollte insbesondere beim Gastrointestinaltrakt großer Wert auf gut eingestellte Videosequenzen gelegt werden. Jede Pathologie im Rahmen der Darmsonographie profitiert von einer dynamischen Dokumentation, in der Motilität, Längsausdehnung, Umgebungsreaktion, Perfusion und Wandveränderungen möglichst plastisch und nachvollziehbar aufgezeichnet wird.
Bei Akutveränderungen sollte zumindest die Lokalisation der Pathologie per Bodymarker mitdokumentiert werden, bei z.B. CED-Verlaufsuntersuchungen sind Bodymarker für jede „Haltestelle“ der Darmstrecke sinnvoll.
Klinische Anwendung
Generell ist eigentlich bei jedem akutem oder unklarem Abdomen ein Ultraschallgerät zum Patienten mitzunehmen. Die Sonographie erfolgt simultan zur Volumen- und Schmerzmittelgabe sowie Anamneseerhebung. Nach Ausschluss eines Retentionsmagens (ansonsten Magensondenanlage) und Banalitäten wie einer Überlaufblase kann bei Diagnoseunklarheit immer noch ohne Zeitverlust zum CT gefahren werden. Akkubetriebene, kompakte Geräte sind natürlich in den Räumlichkeiten einer Notaufnahme wünschenswert.
Appendizitis
Die Sensitivität des Ultraschalls bei dieser Verdachtsdiagnose ist generell etwas niedriger als beim CT. Allerdings kann bei Diagnosebestätigung durch den primär durchgeführten Ultraschall (zusätzlich zur klinischen und laborchemischen Konstellation) direkt operiert werden, was die CT-Rate insbesondere bei jungen Patienten halbiert. Ebenfalls wird durch die sonographische Darstellung eines sicher nicht pathologischen Appendix die negative Laparotomierate (also OP ohne Appendizitisbefund) ebenfalls halbiert.
Divertikulitis
Hier reicht prinzipiell die klinische Untersuchung als alleinige Diagnostik aus. Wenn man Bildgebung ergänzt, sollte das Ultraschall leitliniengerecht primär zum Einsatz kommen. Sollten sich klinisch oder sonographisch Hinweise auf Komplikationen (Fistel, Abszess, Perforation) oder eine völlig andere Differentialdiagnose ergeben ist wiederum das CT gefragt, insbesondere zur Frage der OP-Indikation. Mikroabszesse oder Drainage-fähige Makroabszesse (>3 cm) können KM-sonographisch dargestellt und ultraschallgesteuert interveniert werden.
Definitiv nicht notwendig bzw. Körperverletzung ist das unreflektiert durchgeführte halbjährliche Notaufnahme-Abdomen-CT bei typischen Rezidiv-Divertikulitiden. Bitte das Notfall-CT nicht für unkomplizierte Divertikelträger in mittlerem Alter verschwenden, sondern z.B. öfter an die (den Studien nach) unterdiagnostizierte Mesenterialischämie denken und hier bei Verdacht öfter das CT einsetzen.
Ileus
Bei Lumenweiten größer 3 cm im Dünndarm, Klaviertastenphänomen, freier Flüssigkeit oder Pendelperistaltik, d.h. Motilität, die gegen einen Widerstand zu arbeiten scheint, ist die Verdachtsdiagnose Ileus abzuklären.
Die Durchführung einer konventionellen Röntgen-Abdomen-Aufnahme ist obsolet, da die Sensitivität im schlechtesten Fall (z.B. im Anfangsstadium des Ileus) nur 50% beträgt und somit ein gefährlicher „Ausschluss“ erfolgen könnte.
Die Sonographie hat gegenüber dem CT den Vorteil der dynamischen Visualisierung, d.h. eine erweiterte Darmschlinge kann anders als in der Schnittbildgebung in Form der Motilität beschrieben werden. Dadurch kann oft eindeutig zwischen Paralyse, Widerstandsperistaltik oder generalisierter Hypermotiliät (bei der Gastroenteritis) unterschieden werden.
CED
Die chronisch entzündliche Darmerkrankung ist eine typische Indikation für sonographische Verlaufskontrollen (neben z.B. Kontrollen von Divertikulitiden, Gallenblasen oder Subileusbildern). Multiple Studien zeigen, dass der Ultraschall vergleichbar zu CT und MRT einen akuten Schub, Erstdiagnose einer terminalen Ileitis, Komplikationen und Therapieansprechen mit hoher Sensitivität und Spezifität darstellen kann.
Zöliakie
Bei unspezifischen abdominellen Beschwerden und entsprechender Patientengruppe kann die Darmsonographie entscheidende Hinweis auf eine Zöliakie bieten und eine entsprechende spezifische weitere Diagnostik einleiten. Leicht dilatierte, flüssigkeitsgefüllte Dünndarmschlingen mit rotierender Binnenperistaltik sowie mesenteriale Lymphadenopathie sind hier auszumachen.
Weitere Fragestellungen und Befunde
Solide Tumoren oder Abszesse im Darmbereich können ab einer gewissen Größe zuverlässig sonographisch erkannt und ggf. per KM-Sonographie weiter differenziert werden.
Die akute Mesenterialischämie kann prinzipiell auch sonographisch diagnostiziert werden, wenn der Gefäßverschluss oder Thrombus sich entsprechend gut offenbart. Wichtiger ist allerdings das Erkennen der Folgen eines AMS-Verschlusses, nämlich der Dünndarmwandverdickung, paralytischen Ileus und freien Flüssigkeit. Wenn zusätzlich die entsprechenden Risikofaktoren (AVK, VHF, höheres Alter etc.) bestehen sollte im CT nicht nur ein mechanischer Ileus ausgeschlossen werden, sondern auch (mit expliziter Indikationsstellung für den Radiologen) die Angiographie des Abdomens durchgeführt werden.
Bei V.a. ischämische Kolitis im Rahmen eines z.B. AMI Verschlusses kann die segmentale Entzündungsreaktion normalerweise sehr gut sonographisch lokalisiert werden, da die Darstellung der typischen Haustrierung mit Luftsichel fehlt und stattdessen eine echoarm ödematöse, lumenkomprimierende Wandverdickung mit zusätzlich kontrastierender mesenterialer echoreicher Umgebungsreaktion ins Auge springt. Per KM-Sonographie kann der Verdacht in wenigen Sekunden bestätigt oder ausgeschlossen werden und entsprechende weitere Diagnostik und Therapie (CT-Angiographie, Stuhlproben, Endoskopie, Antikoagulation) eingeleitet werden.
Perforationen können prinzipiell sonographisch dargestellt werden, sofern die Luftbläschen lokalisierbar sind, z.B. perihepatisch. Bei entsprechendem Verdacht führt aber kein Weg um das CT herum. Auch hier erbringt die konventionelle Röntgenaufnahme im Bereich der Sensitivität das gleiche Ergebnis wie ein Münzwurf, so dass ein Perforations“ausschluss“ im Röntgen-Abdomen wie auch mittels Sonographie nicht möglich ist.
Fazit:
Wie man sieht, ist die Sonographie des Magen-Darm-Trakts nicht nur facettenreich und komplex, sondern auch für den Nicht-Gastroenterologen eine wichtige Fertigkeit bei der Akutdiagnostik. In unseren Trainingsprogrammen haben wir festgestellt, dass durch die frühzeitige Beschäftigung mit diesem Thema auch die allgemeine Orientierung und Sicherheit beim Abdomenschall steigt. Magen-Darm und vor allem Luft wird nicht mehr als „Feind“ des Ultraschalls angesehen, sondern als normales Organ mit seinen spezifischen Besonderheiten. Das regelmäßige und bewusste Sonographieren des physiologischen MDT macht es einfach, pathologische Veränderungen in diesem Bereich zu erkennen, da diese dann oft wenig subtil sind und direkt „ins Auge springen“.
Wie schon erwähnt, ist insbesondere bei diesem Schall-Thema die Videodokumentation sehr eindrücklich, weswegen wir hier im Artikel auch auf schlecht interpretierbare Standbildaufnahmen verzichtet haben. Entsprechendes Videomaterial findest du natürlich bei uns auf
Facebook, Instagram (@personalsonocoach),
Youtube oder in unseren Seminaren und Anleitungsmodulen im Training.
Quellenangabe
Dieser Artikel basiert auf den aktuellen Empfehlungen der EFSUMB (EFSUMB.org).